Untersuchung des ökonomischen Potenzials im Bereich Creative Industries in Wien


Zusammenfassung

Creative Industries (CIs) sind vielerorts zu einem Schlagwort in der wirtschaftspolitischen Diskussion geworden. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die CIs neben Biotech und Informationstechnologien zum dritten Hoffnungsfeld der Wirtschaftspolitik werden.

Die Stadt Wien hat in den vergangenen Jahren bereits umfangreiche Vorarbeiten zur Entwicklung einer Strategie für die CIs geleistet und erste Maßnahmen bereits durchgeführt. Dazu gehört die grundlegende Festlegung, dass die CIs ein Schwerpunktfeld der Wiener Wirtschaftspolitik sind. Aus diesem Grund wurde die kulturdokumentation, Mediacult und Wifo von der Stadt Wien, MA 27 (EU-Strategie und Wirtschaftsentwicklung), dem Filmfonds Wien und der Wirtschaftskammer Wien beauftragt, eine Analyse des Markt-, Innovations- und Arbeitsplatzpotenzials in den Bereichen Architektur, Audiovisueller Bereich, Bildende Kunst und Kunstmarkt, Darstellende Kunst und Unterhaltungskunst, Grafik, Mode, Design, Literatur und Verlagswesen, Multimedia/ Software/ Spiele/Internet, Museen und Bibliotheken, Musikwirtschaft und Werbung durchzuführen.



Die Creative Industries im Überblick

Die Creative Industries sind eine Zusammenfassung von sehr heterogenen Wirtschaftszweigen, bei denen Kreativität ein wesentlicher Input für die Erstellung von Produkten und Dienstleistungen ist. Die Orientierung der Unternehmen in diesem Bereich ist sehr unterschiedlich: Bei einigen Teilbereichen dominieren klar marktwirtschaftliche Zielsetzungen, andere befinden sich an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wirtschaft, mit unterschiedlichem Ziel- und Wertsystem für ihre Aktivitäten. Hinzu kommt, dass neue Technologien - insbesondere jene, die konstituierend für die New Economy waren - zum Wachstum und zur positiven Einschätzung dieses Sektors spürbar beigetragen haben.

Die große Bedeutung von Kreativität und das Zusammentreffen von Marktlogik und künstlerischen Zielsetzungen bildet einerseits einen interessanten Ausgangspunkt für neue kreative Produkte und Dienstleistungen; andererseits kommen Impulse für den öffentlichen Diskurs und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts aus dieser Konstellation. Diese Verschränkung von Wirtschaft und Kultur führt allerdings auch zu Spannungen: in bereits lang andauernden Diskussionen wird erörtert, in welcher Weise diese Systeme interagieren sollen und welche Effekte daraus zu erwarten sind.

In Wien arbeiten - je nach Datenlage - mehr als 100.000 Personen (laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger) bzw. 120.000 Personen (laut Arbeitsstättenzählung) in den CI-Bereichen. Dies sind immerhin rund 14 % aller in Wien beschäftigten Personen. Mit einem durchschnittlich 6 %-igem Wachstum zwischen 1998 und 2002 liegen die Creative Industries immerhin um 4 % über dem Beschäftigungswachstum der Gesamtwirtschaft.

Die höchsten Beschäftigungsanteile innerhalb der CI-Sektoren weisen Software, Multimedia, Internet, Spiele; Grafik, Mode, Design und der Audiovisuelle Bereich (Film, Video, Fernsehen, Radio) aus, zusammen mehr als die Hälfte (55,9 %) des gesamten Beschäftigungsvolumens. Die Sektoren Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Museen und Bibliotheken hingegen, weisen mit 10,3% die geringsten Beschäftigungsvolumina auf.

Einen Beschäftigungszuwachs zwischen 1998 und 2002 gibt es in den Sektoren: Museen und Bibliotheken (+218 %), Werbung (+41,4 %), Software, Multimedia, Internet, Spiele (+32,2 %), Bildende Kunst (+19,2 %), Darstellende und Unterhaltungskunst (+12,8 %), Architektur (+1,6 %), Literatur & Verlagswesen und Printmedien (+0,4 %).

Ein Beschäftigungsrückgang zwischen 1998 und 2002 läßt sich in den Sektoren Musikwirtschaft ( -11,4 %), Grafik, Mode, Design ( -8,6 %) und im Audiovisuellen Sektor (Film, Video, Fernsehen, Radio) ( -4,3 %) feststellen.

Die Unternehmensstruktur der Wiener CIs ist eine vorwiegend kleinbetriebliche Struktur. Die durchschnittliche Betriebsgröße der 17.948 Wiener CI-Unternehmen mit ihren 120.014 Beschäftigten (gemäß Arbeitsstättenzählung 2001) liegt bei 6,7 Personen. Knapp die Hälfte (48,2 %) der Wiener CI-Unternehmen sind so genannte Ein-Personen-Unternehmen. Besonders die Sektoren Bildende Kunst (74,2 %), Darstellende Kunst und Unterhaltungskunst (57 %), Werbung (56,5 %), Musik (55,2 %), Museen, Bibliotheken (54,5 %) und Architektur (54,3 %) haben einen überproportional hohen Anteil an Ein-Personen-Unternehmen.

Großbetriebe mit über 100 Beschäftigten sind nur im audiovisuellen Sektor (2,3 %) und im Bereich Software, Multimedia, Internet, Spiele (2,1 %) relevant vertreten. In allen anderen Sektoren beträgt der Anteil an Großbetrieben zwischen 0,1 % und 1 %.

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Charakteristisch für die Wiener CI- Unternehmen ist einerseits die Stärke im Content und andererseits die Schwäche in der Verwertung.

Die Stärke liegt im hohen künstlerisch-kreativen Potenzial, in der Ausbildung, in der Wissenschaft und Forschung. In Wien exisitiert ein sehr ausgeprägtes urbanes und kunstkulturelles Milieu, eine hohe Dichte an Ausbildungsstätten und eine gut ausgebaute Forschungslandschaft, sowohl im universitären als auch im außeruniversitären Bereich.

Ein weiteres spezifisches CI-Merkmal ist die wirtschaftliche Interdependenz zwischen Teilen der Wiener Creative Industries-Unternehmen und der öffentlichen Kunst- und Kulturfinanzierung. Die öffentlichen Kulturausgaben, die in den Betrieb von Kulturaufführungsstätten, Museen, Festivals und Kulturevents oder in das direkte Kunst- und Kulturschaffen fließen, stellen einen wesentlichen wirtschaftlichen Bestandteil im Rahmen des gesamten Marktvolumens (sei es im Zulieferungs- oder im nachgelagerten Verwertungsbereich) sowie der wirtschaftlichen Prosperität von CI-Unternehmen dar. Das öffentlich finanzierte Kunst- und Kulturgeschehen fungiert nicht unwesentlich als Auftraggeber bzw. Partner von Wiener CI-Unternehmen.

Die Schwächen der Wiener CIs liegen in der Verwertung, in der geringen Umsetzung des kreativen Potenzials in ökonomische Aktivitäten und im Export. Zurückzuführen ist dies auf die kleinteilige Unternehmensstruktur, die Kapitalschwäche und Managementdefizite.

Als grundlegende Charakteristika der kunst- und kulturnahen CI-Bereiche gilt, dass es kaum an innovativen und teilweise international marktfähigen "Produkten" mangelt, dafür mangelt es umso mehr an entsprechender Kapitalstärke und einem vertriebsorientierten Verwertungs-Know-how.

Die Ergebnisse der Unternehmensbefragung zeigen eine positive Entwicklung der Creative Industries in Wien, weil:

- die Beschäftigten hoch qualifiziert sind (jeder vierte Erwerbstätige hat einen Hochschulabschluss, weitere 44 % haben Matura-Reife),
- die Kooperations- und Clusterstrukturen stark ausgebaut sind,
- die Hälfte der Unternehmen erst in den letzten 10 Jahren gegründet worden sind,
- die Unternehmen eine hohe Innovationsneigung aufweisen
(die Innovatorenquote ist in den meisten Teilen - bei vergleichbaren Größenstrukturen - deutlich höher als in anderen Bereichen des Dienstleistungssektors),
- die Nachfrageentwicklung sehr positiv eingeschätzt wird,
- digitale Güter in den CIs bereits sehr wichtig sind
(der e-Content in den CIs liegt mit 23 % der Erlöse dieses Sektors deutlich über dem der Gesamtwirtschaft).
Negativ für die Wirtschaftsentwicklung der CIs wirken sich aus:
- die kaum internationalen Aktivitäten (Über alle Sektoren werden nur rund 17 % des Umsatzes auf Auslandmärkten erzielt. Das Exportpotenzial wird bei weitem nicht ausgeschöpft, nur 28 % der Unternehmen wollen neue Auslandsmärkte erschließen. Die Probleme sind auch hier die kleinen Unternehmensgrößen bzw. die zu geringen (Human)-Ressourcen),
- der unterdurchschnittliche Zugang zu Fördermitteln (nur rund 20 % der Unternehmen haben Wirtschaftsförderung erhalten),
- die Probleme bei der Finanzierung der Geschäftstätigkeit (beim Zugang zu externen Finanzierungsquellen).

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Die Wachstumsaussichten des Sektors werden jedoch vor allem von der geringen durchschnittlichen Unternehmensgröße, den fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten und der geringen Internationalisierung des Sektors beschränkt. Die beiden letztgenannten Faktoren sind wiederum eine Folge der geringen Unternehmensgröße.

Insgesamt gilt es daher, die positiven Strukturmerkmale weiter auszubauen und die negativen abzuschwächen. Dies heißt vor allem, ein konsistentes Förderinstrumentarium aufzubauen, das den Unternehmen den Zugang zu externen Finanzierungsquellen sichert, ihnen die Durchführung riskanter Projekte ermöglicht und damit die Voraussetzungen für Unternehmenswachstum schafft. Gleichzeitig sollte auch die Nachfrage nach CI-Produkten von Seiten der öffentlichen Hand intensiviert werden.

Bei allen wirtschaftspolitischen Maßnahmen ist zu beachten, dass es eine hohe ideelle Motivation bei den Beschäftigten in den CIs gibt, die der persönlichen Sinnstiftung teilweise ein höheres Gewicht zuteilt als den rein kommerziellen Motiven. Diese Ausrichtung kann sowohl innerhalb der Unternehmen als auch in der Interaktion mit der Wirtschaftspolitik zu Zielkonflikten führen. Auf diese Ausgangslage - die in den verschiedenen Segmenten der CIs unterschiedlich stark ausgeprägt ist - muss bei der Formulierung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen Rücksicht genommen werden.

Die Förderung und Entwicklung von CIs ist vor allem ein arbeitsintensiver Prozess, der viele kleine und wenig große Schritte enthält. Dementsprechend werden die Erfolge nicht kurzfristig, sondern nur mittelfristig sichtbar. Obwohl auch große, sichtbare Initiativen ihren Beitrag zur Entwicklung der CIs leisten können, wäre eine Beschränkung auf diese keine nachhaltige Strategie zur Verbesserung des CI-Standorts Wien.


Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die Hauptstoßrichtungen für die Entwicklung des CI-Standorts Wien herauszuarbeiten, die für alle Sektoren - wenn auch nicht immer im gleichen Umfang - von Bedeutung sind. Die folgenden vier Dimensionen werden vorgeschlagen:


1. Wachstumsstrategie


Viele der derzeitigen Probleme hängen mit der Kleinteiligkeit des Sektors zusammen. Die Unternehmen sind vielfach zu klein, um größere Investitionen aus eigener Kraft zu tätigen. Größere Investitionen sind aber notwendig, um das Produkt- und Dienstleistungsangebot zu komplettieren und den Schritt auf Auslandsmärkte zu schaffen. Daher ist es notwendig, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Firmenwachstum begünstigen. Die Palette der Aktivitäten zur Erreichung dieses Ziels ist breit gefächert und umfasst Maßnahmen zu einer Professionalisierung der Geschäftstätigkeit, die Sicherung eines verbesserten Zugangs zu externen Finanzierungs-quellen, eine ausgeweitete Innovations-förderung, einen Know-how-Transfer für urheber-rechts-basierte Verwertungs-strategien und verbesserte Informationen über Beratungs- und Fördermöglichkeiten.


2. Internationalisierung

Der Exportanteil der CIs ist in Anbetracht der durchschnittlichen Unternehmensgrößen zwar beachtlich, liegt jedoch deutlich unter dem österreichischen Branchenschnitt. Teilweise liegt der geringe Export in der Natur der produzierten Güter- und Dienstleistungen (Theateraufführungen, Performances, Printmedien, Rundfunk und Fernsehen etc.). Für weite Bereiche der CIs gilt jedoch, dass durchaus mehr exportiert werden könnte. Die geringen Exporterfolge hängen vor allem mit dem hohen Ressourcenbedarf und den großen Unsicherheiten dieser Entscheidung zusammen. Diese Ausgangslage kann durch Maßnahmen verbessert werden, welche die Auslandspräsenz erhöhen, bestehende Informations- und Unterstützungsangebote auch für CIs zugänglich machen und die Integration in internationale Vertriebssysteme fördern.

3. Clusterorientierung


Bei den CIs gibt es bereits ausgeprägte Kooperationsmuster innerhalb clusterähnlicher Strukturen. Die Notwendigkeit zu Kooperationen ergibt sich zum Teil aus der geringen Unternehmensgröße zur Komplettierung der Angebotspalette und aus der projektorientierten Struktur vieler Vorhaben in den CIs (beispielsweise in der Filmproduktion). Neben der Entwicklung von clusterspezifischen Strategien sollen sektorspezifische Plattformen gefördert werden, die Interaktion zwischen den CIs und der Wirtschaft intensiviert und die noch bestehenden Ausbildungslücken geschlossen werden.


4. Governancestrukturen entwickeln


Unter Governance wird die Organisation, Abwicklung und Evaluierung der Aktivitäten im Bereich der CIs verstanden. Dass dieser Punkt - der für alle öffentlichen Aktivitäten selbstverständlich von Relevanz ist - hier ausdrücklich erwähnt wird, liegt daran, dass schon jetzt viele Institutionen und Organisationen im Bereich der CIs zuständig sind bzw. zuständig sein sollten oder könnten. Bei den vorhergehenden Strategie- und Maßnahmenvorschlägen wurde weitgehend vermieden Institutionen Aufgaben zuzuweisen, da die Umsetzung und die Kooperation zwischen den Institutionen noch offen sind. Klar ist, dass es für ein koordiniertes Vorgehen einer Strategie, Kooperationsbereitschaft bei allen Akteuren und einer Steuerung bedarf, die sicherstellt, dass an einem gemeinsamen Ziel gearbeitet wird. Daher sollte die Kooperation zwischen Wirtschafts- und Kulturressorts ausgebaut werden, dem Wien-Image die CI-Dimension hinzugefügt werden, eine abgestimmte Vorgangsweise mit sektor-spezifischen Institutionen entwickelt werden und die öffentliche Auftragsvergabe überdacht werden.

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13.04.2004 | office@kulturdokumentation.org